Ein Soldat braucht Geld

Vorbemerkung: Das Folgende ist die Abschrift eines zweiseitigen Briefes, den Karl Leib, siehe Foto unten, im Jahre 1861 – damals etwa 22 Jahre alt – während seiner Militärzeit in Deutz an seine Eltern in Krofdorf, Inselstraße 2, schrieb. Leib, aus einer angesehenen Bauernfamilie  – Moose/Krokelmoose – stammend, war später auch Mitglied des Wetzlarer Kreistages. Erklärende Ergänzungen erscheinen in Kursiv, nicht eindeutig lesbare Begriffe sind durch Einklammerung oder durch eingeklammerte Fragezeichen gekennzeichnet. Eigentümerin des Dokumentes und des Fotos war die Enkelin von Karl Leib, Hildegard Heydorn, geb. Leib, verwitw. Gombert, die mir die Erlaubnis zur Transkription und zur Veröffentlichung gab.
Siegfried Träger

An Herrn Georg Leib (Moose)
Krofdorf
Kreis Wetzlar

Deutz, den 13. Januar 1861

„Liebe Eltern und Angehörige!

Euren Brief nebst dem Paket mit Butter, Wurst, Strümpfe, Kuchen Geld und Zigarren und den (. . . .) habe ich bei gutem Wohlsein erhalten und daraus gesehen, daß Ihr noch alle recht gesund seid, welches mich sehr freut. Ihr wollt gerne wissen, wie es mit unserem Dienst bei der jetzigen kalten Witterung steht. Das ist so schlimm nicht, denn wir sind fast den ganzen Tag über im Stall. Des Morgens wird gewöhnlich ½ bis 1 Stunde geritten, die meiste Zeit aber in der Bahn wo es nicht viel kalt drin ist, des Mittags wird von 3 bis ½ fünf zu Fuß exerziert, wenn’s sehr kalt ist wird auf dem Kasernenhof marschiert, wobei einen nicht viel kalt wird. Ich habe noch an keiner Erkältung gelitten, von Zahnschmerzen habe ich noch nichts gespürt, wodurch ich mich sehr glücklich schätze, überhaupt die Kommisküche scheint meiner Gesundheit zuträglicher zu sein, als zuhause die fette. Meine Strümpfe sind noch ziemlich im Stand, ich lasse mir sie immer bei einer Frau von einem Sergeanten von unserem Schwadron waschen welche sie mir auch flickt wenn ich die Zeit nicht habe. Wie Ihr mir schreibt, so spricht man zu Hause auch viel wieder von Mobilmachung. Auch hier ist das Gerede schon lange davon gewesen, aber was ein Soldat davon weiß ist nicht weit her. Gestern Abend bekam ich einen Brief vom Leib aus Berlin, welcher schreibt, daß ihr Hauptmann am Neujahrstage gesagt hätte, daß dieses Jahr nicht gut für sie ablaufen würde, denn sie könnten vielleicht vor den Feind kommen. Macht Euch nur nicht viel Unruhe vor der Zeit, denn es kann so Gott will, auch wieder glücklich vorübergehen. Wäre das doch nicht der Fall, und mein Schwager kann zuhause bleiben, so lange bin ich zufrieden in meinem Stande. Den 31. Januar bekam ich den Brief mit den (. . . .) und habe daraus gesehen, daß es jetzt zuhause im Entstehen ist mit einer neuen Gemeinde. Käme es nur dazu, daß die Geschichte eine andere Wendung bekäme, und dass die Reibereien zwischen beiden Partheien nachließen. (Diese Passage bezieht sich auf die Streitigkeiten innerhalb der evangelischen Kirche Krofdorf-Gleibergs, die schließlich zur Entstehung einer freireligiösen Gemeinde führte – S. T.). Schreibt mir näheres darüber ob es im Fortschreiten ist. Als ich das Geld 2 Tage hatte kam der Wachtmeister wieder zu mir, und fragte mich wieder um Geld. Abschlagen konnte ich ihm doch nun nicht, ich mußte ihm (. . . .) lehnen, und wie es mir scheint auf immer. Deshalb muß ich wieder um Geld bitten bis Ende dieses Monats, bis dahin komme ich noch aus, von der alten Butter habe ich noch etwas. Schreibt mir, was die Pferde machen, der Fuchs wird wohl seinen Laufpaß dieses Frühjahr bekommen, die Hafer wird hoch genug liegen, hat der Krauskopf seinen Hangeter (?) noch? Grüßt mir dem Krauskopf und schreibt mir ob es meinen kleinen Pathen namentlich dem Karl noch so schmeckt. Den Brief vom Christian habe ich mit Freude erhalten, ich werde ihm nächstens schreiben, es gibt mir jetzt zu viel. Ich will schließen und grüße Euch Alle herzlich.

Einen schönen Gruß von Jakob und Rheinländer und grüßt mir den Launsbacher Schmidt wenn Ihr Gelegenheit dazu finden, es ist wohl der Fall dass er bald wieder herkommt.“

Eine Zeile am Rand der zweiten Seite des Briefes: „Den Brief w. die Zigarren waren mir sehr willkommen, grüßt mir den Henkel und sagt im Merse“