Am Nachmittag des 30. Juni 1941 klopfte es heftig an die Tür des Hauses Unter der Burg 8 auf dem Gleiberg. Als die Bewohnerin Therese Burk, die mit ihrem jüngsten Sohn Hubert alleine daheimwar, öffnete, stand vor ihr der Nachbarjunge Oswald H. Der damals 12-jährige machte einen aufgeregten Eindruck. Auf die Frage, was denn los sei, erzählte er, dass „ein brauner Mann auf uns geschossen“ habe. „Auf wen geschossen?“, fragte die verblüffte Frau Burk zurück. „Auf uns zwei, auf mich und Heinz“, bekam sie zur Antwort. Heinz (Foto), das war der zweitjüngste Sohn der Burks und ein Jahr älter als sein Freund Oswald.
Von bösen Ahnungen getrieben forderte die Mutter Oswald auf ihr zu zeigen, wo das von ihm Geschilderte passiert sei und folgte ihm zusammen mit Sohn Hubert zunächst durch das Dorf, dann bergab in Richtung Heuchelheim bis tief hinunter ins Tal. Dort, nahe der Tongrube Abendstern am unteren Fohnbach befand sich ein kleiner Tümpel, und neben diesem Tümpel lag leblos Heinz Burk, anscheinend „an Ort und Stelle gestorben“, wie sich noch Jahrzehnte später sein Bruder Hubert an die schreckliche Szene erinnerte. Erschossen von jenem ominösen braunen Mann, von dem Oswald H. sprach? Mutter und Sohn eilten zurück zum Gleiberg und verständigten vom Lebensmittelgeschäft Leib aus telefonisch die Polizei. Die rückte auch sogleich mit einem Staatsanwalt und einem Arzt bei dem leblosen Buben neben dem Tümpel an.
Was aber war dort wirklich passiert? Schon bald zweifelten die Untersuchungsbeamten an der Version des jungen H. von einem unbekannten Täter. Und tatsächlich musste der schon wenig später zugeben, dass er selbst es war, der den fatalen Schuss verursacht hatte. Nicht um seinem Freund etwas anzutun, sondern einfach so beim Spielen mit einer Pistole, die seinem Vater gehörte und die er heimlich mit ins Feld genommen hatte. Bald fand sich auch das corpus delicti. Der Unglücksschütze hatte die Pistole nach dem tödlichen Treffer in den nahen Tümpel geworfen und sich dann die Geschichte vom „braunen Mann“ ausgedacht, ehe er an der Haustür der Burks erschien. Die Idee zu seiner Lüge mochte ihm seine Kenntnis davon eingegeben haben, dass damals Kriegsgefangene in der Gegend untergebracht waren. Und denen, so meinte er wohl, könnte seine eigene Untat doch leicht in die Schuhe geschoben werden.
Siegfried Träger
Information und Foto: Hubert Burk