Fotokalender 2018

Der Fotokalender für 2018 wird ab Samstag dem 04. November in der Bäckerei Seidel zum Verkauf angeboten. Außerdem kann man ihn auch im Rathaus erhalten.

Auch dieses Jahr waren die Fotofreunde wieder aktiv um einen neuen Jahreskalender aufzulegen. Zur Realisierung und um den Kalender für einen Betrag von 5 Euro anbieten zu können waren aber auch wieder zahlreiche Spenden von einigen Unternehmen aus der Region von Nöten, bei denen sich die Fotofreunde recht herzlich bedanken.

In den letzten Tagen wurde der Kalender, dieses Jahr fast einen Monat früher als in den vergangenen Jahren, von der Druckerei Bender auf der beeindruckenden Heidelberger Speedmaster gedruckt.

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Die letzte Fahrt des Walter Moos

Es musste schon bald nach meiner Ankunft in Krofdorf im Jahre 1946 gewesen sein, als ich von einem Vorfall reden hörte, in dem es um einen tödlichen Motorradunfall und einen Selbstmord ging. Was da und wann wirklich geschehen sein sollte, verstand ich damals nicht und behielt eigentlich nur die beiden Stichworte – Motorradunfall und Selbstmord – im Gedächtnis. Erst Jahrzehnte später bekam ich ein kleines Foto in die Hand, das drei junge uniformierte Männer zeigt, von denen einer auf einem schweren Motorrad sitzt (siehe Bild unten). Auf der Rückseite des Fotos stand: „Die letzte Fahrt von Walter Moos“. Angeregt durch Foto und Beschriftung versuchte ich Genaueres über jene „letzte Fahrt“ herauszufinden. Und dabei war zu bemerken, dass die Erinnerung an das dahinter stehende Ereignis bei den in den 1990er-Jahren Befragten tatsächlich noch sehr gegenwärtig war. Auf mein „Was, wann, wo“ erhielt ich dann allerdings Darstellungen angeboten, die im Kern zwar übereinstimmten, aber doch in Details voneinander abwichen.

 

Von links: Willi Heyer, Walter Moos, Ernst V.

Willi Heyer, geboren am 2. 5. 1912 in Krofdorf, war der ältere von zwei Söhnen des Landwirts Wilhelm Heyer und dessen Ehefrau Luise, geb. Bender, und Enkel von Wilhelm Heyer, genannt „Backstaa-Heyer“. Willi Heyer war Landwirt und bewirtschaftete zusammen mit seinem Vater in der Hauptstraße 10 einen der damals größten bäuerlichen Betriebe Krofdorfs. Anfang der 1930-er Jahre wurde er Besitzer eines Motorrades, das ihm angeblich sein Großvater geschenkt hat. Zu Heyers Freunden zählte Walter Moos, Sohn des Gastwirts Eduard Moos, Hauptstraße 54. Walter Moos, geb. am 22. 11. 1914, war wie Heyer Mitglied des sogenannten „Motorsturms“, einer Formation innerhalb der nationalsozialistischen SA ( = Sturmabteilung).

Ende April 1935 sollen die beiden auf Heyers Motorrad eine SA-Versammlung in Wetzlar besucht haben und wollten anschließend über Waldgirmes nachhause fahren. In der Nähe von Hof Haina trafen sie ihren Kameraden Ernst V., der mit dem Fahrrad unterwegs war. Bei diesem Zusammentreffen wurden sie zu Dritt fotografiert, wer die Aufnahme machte, ist allerdings nicht mehr bekannt. Kurze Zeit später war einer der drei, Walter Moos, tot, gestorben als Beisitzer auf dem Motorrad seines Freundes. Und das soll so gekommen sein:

Nachdem die beiden Motorradfahrer sich von V. verabschiedet hatten, fuhren sie nicht direkt nach Krofdorf zurück, sondern nahmen einen Umweg über Gießen. Als sie dort die Straße in Richtung Krofdorf erreichten, soll der Motor von Heyers Maschine „blockiert“ haben. Jedenfalls ist es zu einem Sturz gekommen, an dessen Folgen Beifahrer Walter Moos noch in der folgenden Nacht in einem Gießener Krankenhaus verstarb. Ehe er beerdigt wurde, hielten Mitglieder der SA am Sarg, der im Hof der Gastwirtschaft Moos pompös aufgestellt war, „Totenwache“ (Foto unten).

Etwa ein Jahr nach dem Tod von Walter Moos besuchte Willi Heyer mit seiner Freundin (oder Verlobten) Elli J. sowie Otto V. und Hilde W. per Rad ein Kino in Gießen. Bereits wieder auf dem Heimweg – die Vier befanden sich inzwischen kurz hinter der Stadtgrenze Gießens und damit in der Nähe des etwa ein Jahr zurückliegenden Motorradunfalls – beugte sich Heyer über die Lenkstange, löste sich aus der Radlergruppe und fuhr, sein Tempo steigernd, geradewegs auf einen Straßenbaum zu. Nach dem Zusammenprall mit dem Baum blieb er blutüberströmt auf der Straße liegen. Seine Begleiter liefen in ein naheliegendes Wohnhaus und forderten von dort aus telefonisch einen Krankenwagen an. Einige Tage später dann ist Heyer an seinen schweren Kopfverletzungen im Krankenhaus gestorben.

Versucht man herauszufinden, was Heyer zu diesem selbstmörderischen Handeln veranlasst haben mag, bekommt man von Menschen, die sich daran noch erinnern, zumeist die Antwort, er habe das Schicksal seines Kameraden nicht verwunden und deshalb den Tod an der Stelle des Motorradunfalls gesucht. Es gibt jedoch noch eine Version, die Heyers Verhalten in einem etwas anderem Licht erscheinen lassen könnte. Sie stammt von Personen, von denen eine der Verlobten Heyers Elli J. freundschaftlich verbunden war, eine andere seinerzeit zum Freundeskreis Heyers gehörte. Dabei war übereinstimmend zu hören, dass Willi Heyer nach dem Motorradunfall durch den Krofdorfer SA-Mann Albert V. schwer beschuldigt worden  sei, und zwar in der Weise, dass ihm V. – „Scharführer“ der SA-Reiter und wesentlich älter als Heyer – immer wieder seine angebliche Schuld am Tode von Moos vorgehalten habe. Darüber klagte Heyer unter Tränen eines Tages sogar am Wirtshaustisch beim „Moos“. Er scheute sich also nicht, auch weiterhin die Gastwirtschaft zu besuchen, die dem Vater seines toten Freundes gehörte, er also hier keine Vorhaltungen hinsichtlich des Unfalles und seiner Folgen zu befürchten brauchte, ja sogar offen darüber sprechen konnte.

Was also trieb den jungen Menschen am Ende wirklich dazu, sich unter den Augen guter Freunde ins Verderben zu stürzen? War es wirklich nur eine „Spontanreaktion“, weil Ort und Zeit ihn plötzlich an den folgenschweren Unfall vom Jahr vorher erinnerten? Oder war es der Schlusspunkt einer seelischen Entwicklung, in die sich Stimmen von außen einmischten, gegen die der Angeschuldigte keinen Widerstand mehr aufbrachte? Ganz bestimmt aber versuchte Heyer sich mit seiner Tat von einer schweren Not zu befreien. Einen anderen Ausweg sah er vielleicht nicht, bot ihm wohl auch niemand an.

Siegfried Träger

 

Elisabeth Mandler – eine Krofdorferin als Diakonisse in Frankfurt

Stirbt eine Schwester des Diakonissenhauses Frankfurt, wird sie auf einem eigens für sie reservierten Gräberfeld auf dem Hauptfriedhof der Stadt beigesetzt. Auf den aus rotem Stein gefertigten Grabplatten findet man in aller Regel zwei Namen. In einem dieser Doppelgräber hat nach ihrem Tod am 18. März 1960 auch die Diakonisse Elisabeth Mandler ihre letzte Ruhe gefunden, eine Krofdorferin und womöglich die einzige Frau aus unserem Dorf, die einen guten Teil ihres Lebens im Dienst der Diakonie verbrachte.

Geboren wurde Elisabeth Mandler am 18. 8. 1879 in Krofdorf als Tochter des aus Kinzenbach stammenden Heinrich Mandler und der Krofdorferin Anna Marg. Schubecker, aufgewachsen ist sie in der Hauptstraße 80 zusammen mit ihrer Schwester Karoline, die spätere Ehefrau des Bauunternehmers Karl Schleenbecker.

1907, mit bereits 28 Jahren also, war Elisabeth Mandler als „Probeschwester“ in das Diakonissenmutterhaus in Frankfurt eingetreten. Als Probeschwester versah sie vor allem Küchendienst, ehe sie im Jahre 1916, also mitten im 1. Weltkrieg, als Diakonisse eingesegnet  wurde. Jetzt erwartete sie eine ganz neue Aufgabe: die Pflege schwer verwundeter und sterbender Soldaten in einem Lazarett in der nordfranzösischen Stadt Sedan, ein Dienst, der „tiefen Eindruck auf sie machte“, wie es im Nachruf von 1960 heißt. Nach dem Krieg schickte sie das Mutterhaus 1922 für fünf Jahre als Gemeindeschwester nach Oberroßbach im Dillkreis. Mit der gleichen Aufgabe betraute man sie von 1930 bis 1945 hintereinander  in zwei Frankfurter Gemeinden, ehe sie – nun schon in fortgeschrittenem Alter – von 1945 bis 1952 als „Stationsmutter“ nach Oberscheld ging und schließlich als „Feierabendschwester“  ins Mutterhaus an der Cronstettenstraße in Frankfurt zurückkehrte.

Von dort aus hat Elisabeth Mandler,  eine kleine, zierliche Person in dunkler Diakonissentracht und mit einem plissierten Häubchen auf dem weißen Haar – so meine eigene Erinnerung an sie -, zuweilen ihre Verwandten in Krofdorf besucht. Als sie nach kurzer Krankheit starb, lagen 53 Jahre im Dienste des Frankfurter Diakonissenhauses hinter ihr.

Das Foto zeigt Elisabeth Mandler als Lazarett-Pflegerin, es entstand also vermutlich während ihres Aufenthaltes in Sedan.

Siegfried Träger

Ein Soldat braucht Geld

Vorbemerkung: Das Folgende ist die Abschrift eines zweiseitigen Briefes, den Karl Leib, siehe Foto unten, im Jahre 1861 – damals etwa 22 Jahre alt – während seiner Militärzeit in Deutz an seine Eltern in Krofdorf, Inselstraße 2, schrieb. Leib, aus einer angesehenen Bauernfamilie  – Moose/Krokelmoose – stammend, war später auch Mitglied des Wetzlarer Kreistages. Erklärende Ergänzungen erscheinen in Kursiv, nicht eindeutig lesbare Begriffe sind durch Einklammerung oder durch eingeklammerte Fragezeichen gekennzeichnet. Eigentümerin des Dokumentes und des Fotos war die Enkelin von Karl Leib, Hildegard Heydorn, geb. Leib, verwitw. Gombert, die mir die Erlaubnis zur Transkription und zur Veröffentlichung gab.
Siegfried Träger

An Herrn Georg Leib (Moose)
Krofdorf
Kreis Wetzlar

Deutz, den 13. Januar 1861

„Liebe Eltern und Angehörige!

Euren Brief nebst dem Paket mit Butter, Wurst, Strümpfe, Kuchen Geld und Zigarren und den (. . . .) habe ich bei gutem Wohlsein erhalten und daraus gesehen, daß Ihr noch alle recht gesund seid, welches mich sehr freut. Ihr wollt gerne wissen, wie es mit unserem Dienst bei der jetzigen kalten Witterung steht. Das ist so schlimm nicht, denn wir sind fast den ganzen Tag über im Stall. Des Morgens wird gewöhnlich ½ bis 1 Stunde geritten, die meiste Zeit aber in der Bahn wo es nicht viel kalt drin ist, des Mittags wird von 3 bis ½ fünf zu Fuß exerziert, wenn’s sehr kalt ist wird auf dem Kasernenhof marschiert, wobei einen nicht viel kalt wird. Ich habe noch an keiner Erkältung gelitten, von Zahnschmerzen habe ich noch nichts gespürt, wodurch ich mich sehr glücklich schätze, überhaupt die Kommisküche scheint meiner Gesundheit zuträglicher zu sein, als zuhause die fette. Meine Strümpfe sind noch ziemlich im Stand, ich lasse mir sie immer bei einer Frau von einem Sergeanten von unserem Schwadron waschen welche sie mir auch flickt wenn ich die Zeit nicht habe. Wie Ihr mir schreibt, so spricht man zu Hause auch viel wieder von Mobilmachung. Auch hier ist das Gerede schon lange davon gewesen, aber was ein Soldat davon weiß ist nicht weit her. Gestern Abend bekam ich einen Brief vom Leib aus Berlin, welcher schreibt, daß ihr Hauptmann am Neujahrstage gesagt hätte, daß dieses Jahr nicht gut für sie ablaufen würde, denn sie könnten vielleicht vor den Feind kommen. Macht Euch nur nicht viel Unruhe vor der Zeit, denn es kann so Gott will, auch wieder glücklich vorübergehen. Wäre das doch nicht der Fall, und mein Schwager kann zuhause bleiben, so lange bin ich zufrieden in meinem Stande. Den 31. Januar bekam ich den Brief mit den (. . . .) und habe daraus gesehen, daß es jetzt zuhause im Entstehen ist mit einer neuen Gemeinde. Käme es nur dazu, daß die Geschichte eine andere Wendung bekäme, und dass die Reibereien zwischen beiden Partheien nachließen. (Diese Passage bezieht sich auf die Streitigkeiten innerhalb der evangelischen Kirche Krofdorf-Gleibergs, die schließlich zur Entstehung einer freireligiösen Gemeinde führte – S. T.). Schreibt mir näheres darüber ob es im Fortschreiten ist. Als ich das Geld 2 Tage hatte kam der Wachtmeister wieder zu mir, und fragte mich wieder um Geld. Abschlagen konnte ich ihm doch nun nicht, ich mußte ihm (. . . .) lehnen, und wie es mir scheint auf immer. Deshalb muß ich wieder um Geld bitten bis Ende dieses Monats, bis dahin komme ich noch aus, von der alten Butter habe ich noch etwas. Schreibt mir, was die Pferde machen, der Fuchs wird wohl seinen Laufpaß dieses Frühjahr bekommen, die Hafer wird hoch genug liegen, hat der Krauskopf seinen Hangeter (?) noch? Grüßt mir dem Krauskopf und schreibt mir ob es meinen kleinen Pathen namentlich dem Karl noch so schmeckt. Den Brief vom Christian habe ich mit Freude erhalten, ich werde ihm nächstens schreiben, es gibt mir jetzt zu viel. Ich will schließen und grüße Euch Alle herzlich.

Einen schönen Gruß von Jakob und Rheinländer und grüßt mir den Launsbacher Schmidt wenn Ihr Gelegenheit dazu finden, es ist wohl der Fall dass er bald wieder herkommt.“

Eine Zeile am Rand der zweiten Seite des Briefes: „Den Brief w. die Zigarren waren mir sehr willkommen, grüßt mir den Henkel und sagt im Merse“

 

Dem Pastor Bescheid gesagt


Wilhelm Euler, siehe Bild von 1909, wohnte in der Hauptstraße 53. Besser bekannt war der Krofdorfer Pflasterer unter seinem Spitznamen „Schetze Euler“, und als eben dieser galt er im Dorf als Original. Worauf dieser Ruf beruhte?  Vielleicht weil Euler gerne allerlei Späße trieb und kuriose Geschichtchen von sich gab. Kinderlos verheiratet war er mit Wilhelmine Bodenbender aus Salzböden, einer Schwester von Ludwig Bodenbender, dem ersten Landwirtschaftsminister Hessens nach dem 2. Weltkrieg. Frau Euler starb, vor ihrem Ehemann, am 23. Februar. 1953, die Grabrede zwei Tage später hielt Pfarrer Franz Roth. Roth war von 1949 bis 1959 ein strenger und wortgewaltiger Hirte seiner Gemeinde, deren Mitglieder aber nicht gerade zu den fleißigsten Kirchgängern gehörten. Das verdross den Pfarrer natürlich, darum wohl ergriff er jede sich bietende Gelegenheit, seine Schäfchen zum Besuch der Gottesdienste zu bewegen.

Auch Wilhelm Euler bekam diese pastorale Bemühung zu spüren. Kaum nämlich war seine Frau unter der Erde, sprach Pfarrer Roth (Foto von 1953) ihn noch am Friedhof folgendermaßen an: „Nun Herr Euler, ich hoffe, dass ich Sie demnächst sonntags des öfteren in der Kirche begrüßen kann“. Man sollte meinen, der trauernde Witwer hätte sich die Worte des Pastors – Einladung und Ermahnung zugleich – wenigstens höflich angehört. Doch nichts dergleichen. Der Pflasterer, berüchtigt für sein respektloses Mundwerk, machte dem Pastor umgehend klar, was er von dessen Wink mit dem Zaunpfahl hielt. „Eabbes will ich dr sa“, tat Euler in seinem heimatlichen Dialekt und dazu in vertraulicher Duz-Form dem aus dem Rheinland stammenden Pastor kund, „jetzt sein ich 70 Juur aalt, ean besher hun eich mer vu kann sa losse, wu ich sonndogs hie ze gie hu. Deashalb loss ech mr doas ach vu dir niet sa“. Ob oder wie Pfarrer Roth auf diese ziemlich eindeutige Abfuhr reagierte, ist nicht überliefert.

Um zu unterstreichen, wie ernst seine Worte gemeint waren, verschärfte sie Wilhelm Euler etwas später einem Nachbar gegenüber sogar noch mit dem Hinweis: „Dem hun eich vielleicht Bescheid gesaat!“.

Aufgezeichnet von Siegfried Träger